Das Heimatspiel "Kreuz im Altmühltal"
von Melanie Proske
Es ist eine romantisch-anrührende Legende: Das Kreuz im Altmühltal. Schon im 19. Jahrhundert war sie Stoff für ein Heimatspiel. 1869 ist es als „romantisches Ritterschauspiel aus Gunzenhausen“ erstmals aufgeführt worden, und zwar von einer Wanderbühne. Der mit literarischem Interesse ausgestattete Rotgerbermeister Gustav Schneider bearbeitete das Volksschauspiel danach neu. Im Dezember 1922 – also vor 100 Jahren – war die Premiere mit einheimischen Darstellern im Adlerbräu-Saal. Zum 1200-jährigen Stadtjubiläum wird es heuer eine neue Inszenierung geben, und zwar am 21. Juli im Falkengarten. Außerdem plant die Stadtbücherei eine Ausstellung vom 20. Juli bis 25. August.
Stadtarchivar Werner Mühlhäußer widmet sich im neuen Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ dem Heimatschauspiel, das unter den Gunzenhäusern im 19. und 20. Jahrhundert zu den kulturellen Höhepunkten zählte. Zugrunde liegt die Sage von einer Liebesgeschichte das Ritters Burkhard von Seckendorff mit der Fischerstochter Hedwig. Er soll auf der Jagd anstatt eines Rehes seine beerenpflückende Geliebte mit einem Schuss aus der Armbrust getötet und aus Reue das Gunzenhäuser Heilig-Geist-Spital gegründet und das Denkmal errichtet haben. Historischer Fakt aber ist, dass der Adelige 1349 die Stadt erwarb und auch 1351 die Spitalstiftung ins Leben rief - aber nicht als Zeichen der Reue und um Buße zu tun, sondern zu seinem eigenen Seelenheil. Wie er es wollte, ist bis heute sein Grabmal in der Spitalkirche zu bewundern. Wie Historiker herausgefunden haben, gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Bildstock mit der Jahreszahl 1442 an der Oettinger Straße und Burkhard von Seckendorff.
„In dem Thale mild und freundlich/an der Altmühl grünem Strand/blüht ein Städtchen rein und niedlich/Gunzenhausen wird’s genannt“. So lautet einer der Verse der Sage, als deren früheste Quelle das Gedicht (32 Verse) von Fanny von Stichaner gilt. Sie war als Tochter eines hohen Ansbacher Beamten mit dem königlich-bayerischen Forstmeister verheiratet, der zwei Jahre (bis 1835) in Gunzenhausen amtierte. Einen weiteren Zyklus aus 23 Gedichten schrieb Georg Scheurlin, der auch den „Scharfrichter von Rothenburg“ literarisch verewigte.
Es waren immer wieder Wanderbühnen, die das Stück inszenierten. 1869 war wohl die Premiere. „Auf allseitiges Verlangen“ gab es im 19. Jahrhundert noch weitere Aufführungen. Man hatte sogar Pläne, das Stück jedes Jahr auf die Bühne zu bringen, aber der Erste Weltkrieg verhinderte das. Erst 1919 ging es weiter.
Gustav Schneider übernahm 1897 von seinem Vater die Gerberei. Das Handwerk sollte seine Zukunft bestimmen, auch die Heirat mit der Wassermungenauer Müllerstochter Anna Margaretha Braun bestärkte diesen Lebenslauf. Seine große Liebe aber galt dem Theater. In der Lateinschule hatte er seine frühe Prägung erfahren. Er schuf u..a. das Bühnenstück „Der Seegeist“. Wer weiß, vielleicht erlangt es im Lichte des Altmühlsees ungeahnte Aktualität. Schneider gelang es, 86 Sponsoren für seinen Festspielgedanken zu erwärmen. Ein Dorn im Auge waren ihm aber die auswärtigen Wanderbühnen. Auf Drängen des Festspielausschusses ließ sich der Stadtrat erweichen, den Schaupielergruppen die Aufführung des Heimatstücks zu untersagen. Vor allem Dr. Heinrich Eidam war damals einer der Wortführer. Ein Ensemble aus 17 Gunzenhäusern bildete den Kern der Schauspieler, die am 9. Dezember 1922 zur ersten Aufführung auftraten. Inflationsbedingt waren die Eintrittspreise bis auf 80 Mark hochgeklettert. Der Auftritt übertraf alle Erwartungen. Marie Arnold spielte die Hedwig „mit anziehender Lieblichkeit“ und Obersekretär Böhner den Burkhard „mit Würde und ergreifender Innigkeit“. Viele Gunzenhäuser halfen hinter der Bühne mit. Schätzungen zufolge besuchten 3200 Personen die acht Vorstellungen. Einer allerdings war nicht mehr dabei: Gustav Schneider. Schwer krank konnte den „triumpfhalen Erfolg“ seines Theaterstücks nicht mehr erleben, am dritten Aufführungstag starb er.
In den zwanziger und dreißiger Jahren erlebten die Gunzenhäuser weitere 25 Aufführungen der „Spielervereinigung Kreuz im Altmühltal“ (1924 gegründet). Nach dem Zweiten Weltkrieg war eine nicht vorstellbare Begeisterung feststellbar. An der Sparkasse standen die Menschen Schlange, um eine Eintrittskarte zu ergattern. So mussten 14 Vorstellungen gegeben werden, die von 7200 Leuten besucht wurden. Der Bürgermeister versprach allen Akteuren „ein Stück Freibankfleisch 1a“.
Wie Autor Werner Mühlhäußer feststellt, gab es erstmals 1953 das Theater unter freiem Himmel, und zwar auf der Waldbühne am Röschelskeller. Man mag sich die begeisterte Zustimmung heute gar nicht mehr vorstellen: 8000 kamen zu den neun Vorstellungen. 1963 steht für das Ende. Aber immerhin: 2023 wird es eine neue Inszenierung des Heimatschauspiels geben.
Werner Falk
Das Jahrbuch „Alt-Gunzenhausen“ des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen ist für 15 Euro im Gunzenhäuser Buchhandel erhältlich.