Bild: Blick auf die Altmühlbrücke
Foto: Gunzenhausen Färberturm mit Weißenburger Straße
Foto: Unteres Tor mit Färberturm und Stadtkirche
Notgeld der Stadt Gunzenhausen - 1 Milliarde Mark

Wo Urgroßeltern und Großeltern einkauften - historische Geschäftsinserate

von Melanie Proske

Beim Gang über den Marktplatz mit seiner Vielzahl an sehenswerten da historischen Gebäuden, stellt man sich manches Mal vor, was diese Häuser wohl alles zu erzählen wüssten. Welche Geschichte und Geschichtchen, welche heiteren, aber auch traurigen Episoden sie in den früheren Jahrhunderten erlebten.
Sicherlich ebenfalls nicht uninteressant ist, welche Geschäfte überhaupt dort in längst vergangenen Zeiten existierten. Gerade im Hinblick darauf, dass es heutzutage kaum noch Einzelhandelsgeschäfte gibt, die länger als zwei Generationen von einer Familie geführt werden.
Der Gunzenhäuser Marktplatz war schon seit jeher das Zentrum von Handel und Gewerbe. Viele Berufe wie zum Beispiel Spezerei- oder Kolonialwarenhändler, Hafner, Gerber, Färber, Kürschner, Kupferschmied oder Hutmacher gibt es schon lange nicht mehr. Ebenso Geschäfte in denen Urgroßeltern bzw. Großeltern regelmäßig ihre Einkäufe erledigten. Deshalb soll mit einer Auswahl von Zeitungsinseraten zwischen 1909 und 1933 an einige dieser Einzelhandelsgeschäfte erinnert werden.

Marktplatz 6

Rudolf Streng bezeichnet in seinem Inserat von 1913 seine Pelz-, Hut- und Schirmhandlung als ältestes Spezialgeschäft in Gunzenhausen. Erst wenige Jahre zuvor hat er das Anwesen erworben und tatsächlich betreibt dort bereits seit 1819 die Familie Neunhöfer eine Kürschnerei, später ergänzt durch einen Hut- und Regenschirmhandlung. Das etablierte Spezialgeschäft endet 1958 mit Neueröffnung einer Feinkost- und Südfrüchtehandlung.


Marktplatz 20/22

Am 20. Oktober 1932 eröffnet hier ein Tabakwarenspezialgeschäft, dass unter der Bezeichnung ‚Havannahaus‘ für viele Jahre Zigarren, Zigaretten und Tabake für den „anspruchsvollsten Raucher“ anbietet. Der Firmenname soll an die kubanische Hauptstadt erinnern, die wohl damals als Inbegriff exklusiver Rauchwaren verstanden wird.


Marktplatz 22

1877 verlegt der aus Markt Berolzheim stammende jüdische Kaufmann Bernhard Bermann seinen beruflichen und persönlichen Lebensmittelpunkt nach Gunzenhausen wo er zunächst erfolgreich im Tuch- und Schnittwarenhandel tätig ist. Später spezialisiert er sich auf den Verkauf von Schuh- und Lederwaren und mietet dafür 1902 ein Ladengeschäft am Marktplatz, welches er 1913 in sein eigenes Wohn- und Geschäftshaus Gerberstr. 13 verlegt.
Die Bermann’sche Familiengeschichte ist an Tragik kaum zu überbieten. Der älteste Sohn, als Geschäftsreisender bayernweit unterwegs, wird 1902 ermordet. Ein anderer Sohn kommt im Ersten Weltkrieg ums Leben und drei weitere Kinder fallen dem Holocaust zum Opfer.


Marktplatz 24

Zwischen 1921 bis 1928 können sich modebewusste Frauen und Männer gemäß den aktuellen Trends ihre Frisuren im Salon von Julius Hennig verschönern lassen. Der Friseur versteht es, mit Werbeinseraten auf sich aufmerksam zu machen. So bezeichnet er sich als ‚Spezialist für moderne Haarheilkunde‘ und preist regelmäßig ‚Hennigs echtes, extrastarkes Klettenwurzel-Haarwasser‘ an. 1925 erscheint in der Zeitung erstmals Werbung für das von ihm im Alleinverkauf vertriebene Haartonikum ‚Nettle‘. Um die ausgezeichnete Wirkung zu betonen, zeigt das Inserat auch eine Zeichnung von seiner achtjährigen Tochter Else mit ihrer Haarpracht. Die bildliche Darstellung mag den objektiven Betrachter zunächst etwas abschrecken, da die drucktechnische Umsetzung etwas misslungen erscheint. Durch Zufall hat sich in der Bildsammlung des Stadtarchivs die fotografische Vorlage erhalten, die das junge Mädchen realistisch zeigt.


Marktplatz 25

Das Schuhhaus Pfahler existiert seit 1891 zunächst in einem Anwesen an der Promenade, bis es in das erworbene Haus am Marktplatz verlegt und nach umfassendem Umbau im Dezember 1910 neu eröffnet wird. Besonders Fritz Pfahler macht in den 1920er Jahren durch häufig wechselnde und grafisch durchdachte Inserate auf sein Warensortiment aufmerksam.


Marktplatz 31

1923 ist die politische und wirtschaftliche Situation in Deutschland äußerst instabil. Die Hyperinflation lähmt Gewerbe und Handel, Rohstoffe sind, wenn überhaupt dann nur schwierig zu bekommen. Aus diesem Grund trifft Karl Schuster mit seinem Spezialgeschäft für ‚Liga-Gummisohlen und -absätze‘ absolut den Nerv der Zeit, ist Leder doch um ein Mehrfaches teurer. Außerdem sind die von ihm verkauften Sohlen und Absätze von Jedermann leicht selbst zu befestigen. Um schnell die passenden Größen aushändigen zu können, sollen Kunden mit entsprechenden Papierausschnitten ins Geschäft kommen.


Marktplatz 32

„Mir macht der Waschtag Spaß!“. Mit diesem Slogan bewirbt Wilhelm Schneider die in seinem Installationsgeschäft erhältliche Waschmaschine und bietet dazu zwei Vorführungen im Hotel Zur Post an. In den Genuss der von ihm in Aussicht gestellten Freude bei Ausübung einer ständig wiederkehrenden Hausarbeit, ist sicherlich nur ein überschaubarer Anteil der hiesigen Einwohner gekommen. Die Anschaffungskosten für dieses Haushaltsgerät konnten sich nur wenige Privilegierte leisten.


Marktplatz 46

Das Haus am südlichen Marktplatzende gehört seit 1731 der Kupferschmiedfamilie Wucherer. Gustav Wucherer, der als letzter Kupferschmied dieses traditionelle Handwerk ausübt, eröffnet um 1900 seine Haushalts-, Küchen- und Eisenwarenhandlung. Dort finden Generationen von Gunzenhäusern alles Notwendige für den persönlichen Bedarf im reichhaltigen Warensortiment.


Werner Mühlhäußer

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